von Mag.a Alexandra Schmidt; unterstützt durch das Frauenreferat der Stadt Villach.
Verlag Johannes Heyn, Klagenfurt/Celovec 2017
232 Seiten, 27 x 21 cm, Hardcover,
zahlreiche Schwarzweißabbildungen
ISBN 978-3-7084-0596-4, Euro 34,–
"Damals waren ja Hausgeburten noch etwas ganz normales. Kaum eine Frau ist in die Klinik gegangen. Wir Hebammen haben uns auf unsere Hände und das Hörrohr verlassen, es gab keine Technik. Die Geburtsthilfe hat sich schon sehr verändert, aber das Mystische und die weibliche Kraft, die werden immer bleiben". Stefanie Köstl, Hebamme (geb. 1925)
Vielschichtig, versiert und eng verbunden mit der lokalen Kulturgeschichte Kärntens rekonstruiert die vorliegende Publikation einen zentralen Teil der Frauengeschichte, der bisher, wenn überhaupt, nur am Rande Erwähnung in den Geschichtsbüchern fand, und schließt damit eine erhebliche Lücke – nicht nur – auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechtergeschichtsforschung.
Ausgehend von der frühen Neuzeit – an einen Blick ins Leibesinnere war damals nicht zu denken und der gewölbte Bauch wurde peinlich berührt kaschiert – geht die Historikerin Alexandra Schmidt der Frage nach, wie Frauen in Kärnten glückliche, aber auch unglückliche Schwangerschaften und Geburten erlebten und begleiteten. Dabei schlägt die Autorin den Bogen bis ins 21.Jahrhundert, das mit einem selbstverständlich gewordenen technisierten Blick auf die Leibesfrucht und mit öffentlich-medialer Inszenierung von Schwangerschaft und Geburt neue blinde Flecken generiert. Anhand von Recherchen in Lehrbüchern, Rezeptsammlungen, Tauf- und Sterbematriken, verschiedenen Akten- und Fotobeständen, vermittels der ab Ende des 19. Jahrhunderts erscheinenden Hebammen-Zeitung sowie in Gesprächen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erkundet die Autorin, welche Techniken, Rituale und Rezepturen rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett entwickelt wurden, was dabei in Vergessenheit geriet und was die Jahrhunderte überdauerte. Sie analysiert, wie sich die Geburtshilfe von einem ausschließlich weiblich bestimmten Handlungsraum und Netzwerk zu einem hochtechnisierten, männlich dominierten Zweig der Medizin entwickeln konnte und wie es im Zuge dessen zur Verdrängung der Hausgeburt durch die Klinikgeburt kam.
Dabei wird auch die Frage nicht vermieden, welche Rolle sowohl Ärzte als auch Hebammen bei der Umsetzung der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassen- und Gesundheitspolitik in Kärnten spielten und wie es auch hierzulande zu Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen kommen konnte. Wurde die Geschichte einer Kultur des Gebärens lange Zeit auch als eine Geschichte der Entmachtung von Hebammen und gebärenden Frauen durch männliche Experten geschrieben, erweist sich diese Perspektive nun als zu eindimensional. Vielmehr wird die Kultur des Gebärens bis heute sowohl von Kontinuität als auch von Brüchen und Widersprüchen bestimmt. So bleibt der natürliche Verlauf von Zeugung, Schwangerschaft, Geburt, der Beginn eines neuen Lebens, aber auch die Verbindung zu Sterblichkeit und Tod – immer gleich. Nur die Rahmenbedingungen der Geburt, die Facetten der Geburtshilfe werden von der je vorherrschenden Epoche und Kultur geprägt.